Viele Sichten eines Gebäudes. Von der Geschichte des Gasthauses "Zur Frohen Aussicht" und seinen Bewohnern

Die Rück-Sicht in die Geschichte

Als am 15. November 1777 nahezu die gesamte Christengasse und Teile der Judengasse einem Brand zum Opfer fielen, ist gemäß der Karte von Dr. Aron Tänzer das Grundstück, auf dem die Frohe Aussicht heute steht, noch unbebaut, befand sich aber schon im Besitz von Levi Veit Levi.[1] Wann genau das Haus errichtet wurde, ist nicht belegt, es muss demzufolge nach 1777, aber vor 1806 gewesen sein. In einer Statistik einer amtlichen Wertschätzung aus den Jahren 1806/1807 anlässlich einer 1808 durch die königlich bairische Regierung ins Leben getretenen Brand-Assekuranz scheinen die Namen Levi Veit Levi[2] und seines Sohnes Wolf Veit Levi auf, beide als Besitzer des Hauses in der Israelitengasse Nr. 33 und somit Eigentümer der Frohen Aussicht.

Jedoch war das Haus zu diesem Zeitpunkt noch kein öffentliches Gebäude, auch trug es noch nicht den Namen „Zur Frohen Aussicht“. Es war vielmehr ein Privathaus, das gleich mehreren Familien Heimstätte bot. Neben Levi Veit Levi, seiner Frau Judith Landauer und seinen Kindern wohnte auch schon der älteste Sohn mit seiner Gattin Babette Salamon (Payerle) und seiner Nachkommenschaft in diesem Haus.

Von den anderen Kindern Levi Veit Levis wären noch zu erwähnen: Philipp Landauer, der sich bereits anno 1806 in der „Untergass“ Radetzkystraße 18 (später Bücheles Wagenfabrik) niedergelassen hatte[3], Rachel, die nach ihrer Heirat mit Elias Simon in Gailingen wohnte, Louise (Libussa), die 1828 bereits verstarb, Josef Raphael (1783 – 1834), welcher später die Gasthaustradition begründen sollte und Maria, die sich mit Ephraim Ullmann (einem Kaufmann, welcher mit Barchent und Kaschmir handelte) verehelichte und die Urgroßmutter der bekannten Dichterin Regina Ullmann gewesen ist. [4]

1813 sollte dann jedoch ein Ereignis in Kraft treten, welches den Grundstein des Wandels vom Privathaus zum Gasthaus legte:

Am 17. Juli 1813 wurde ein königlich bairisches Edikt, das eine gleichmäßige Regelung der Rechtsverhältnisse der bayrischen Juden, zu denen damals auch die Hohenemser Juden gehörten, erlassen. Als es durch die österreichische Regierung am 11. April 1818 bestätigt wurde, blieb es bis 1849 in Kraft und brachte damals für die Juden in Hohenems eine besondere und in vielen Punkten vorteilhaftere Rechtstellung, als damals jene der Juden im übrigen Österreich war. Einerseits betraf das Edikt die Regelung der Familiennamen, anderseits auch die Fesseln, unter denen die jüdische Bevölkerung bisher zu leiden hatte. Sie waren nun nicht länger geduldete Schutzjuden, sondern Untertanen mit den gleichen Rechten und Pflichten wie ihre christlichen Mitbürger. Beschränkungen in Handel und Gewerbe fielen, allein das Hausierverbot stellte vielleicht abermals eine gröbere Hinderung dar. Trotzdem war das Verbot vom Standpunkt fortschrittlicher Entwicklung zu begrüßen, umso mehr als es in den ersten Übergangsjahren milde gehandhabt wurde. Die Familien in der „Frohen Aussicht“ betraf es gleich in zweifacher Hinsicht.

Levi Veit Levi (gest. 1807) und seine Frau Judith (gest. 1810) erlebten dieses Edikt nicht mehr, die Brüder von Levi Veit Levi jedoch nahmen den Namen Rosenthal an. Die Kinder Levis entschieden sich für den Namen ihres mütterlichen Onkels Aron Landauer, einem Lehrer, der keine männlichen Nachkommen hatte. Das Edikt hatte aber noch eine wesentlich bedeutsamere Auswirkung. Zuvor war es den Juden nicht erlaubt gewesen, ein Handwerk auszuüben. 1813 beschloss nun Josef Landauer, bisher als Hausierer im Ausland, größtenteils in Graubünden sein Brot verdienend, im 30. Lebensjahr den Bäckerberuf zu ergreifen. Nach den Worten des später benachbarten Rabbiners und Freundes, Abraham Kohn, stellte dies ein beherztes Vorhaben dar. Josef war somit der erste Israelit, der in Hohenems ein Handwerk erlernt und dann auch noch ausgeübt hat. Die Ausbildung war zwar mit Schwierigkeiten verbunden, jedoch überstand er diese Zeiten noch einigermaßen glimpflich. Als Josef jedoch um Bewilligung seiner Profession ansuchen wollte, gingen die anderen Bäcker mit Verleumdungen gegen ihn vor. Er sei „unrein“ und habe „die Krätze“.[5] Doch nicht nur Diffamierungen wurden gegen Josef versucht, man wollte ihm sogar das Recht streitig machen, Gesellen und Lehrlinge zu halten. Die Bewilligung seiner Profession ging bis an das „General-Kommissariat“ nach Innsbruck. Durch die Intervention der Israelitenvorstehung, die argumentierte, dass es keineswegs zu viele Bäcker in Hohenems gebe, da man Brot aus der Schweiz und Lindau einführen müsse und dass ein jüdischer Bäcker für die Sabbatspeisen und der „Mazzoth“ wegen von Nöten sei, wurde ihm schließlich die Konzession genehmigt. Die Schwierigkeiten waren aber mit der Bewilligung allein nicht ausgeräumt. Josef Landauer musste in seinen Anfängen stark gegen Vorurteile kämpfen, selbst bei seinen Glaubensgenossen fand er zu wenig Absatz und dadurch musste Josef 1815 bei Joseph Rosenthal Geld leihen, um überhaupt Korn für das Brot erwerben zu können. Zusätzlich suchte er 1816 um die Erteilung einer „Schankgerechtsame“ (Schankkonzession) an und eröffnete das Gasthaus “Zur Frohen Aussicht”. Nach und nach überzeugten sich die Leute von seiner Fähigkeit, Brot zu backen und „fanden auch unter der Hand, daß es ihnen eben so gut schmecke und eben so wohl bekomme, wie wenn es aus einem christlichen Ofen wäre.“[6] Deswegen wurde sein Kundenstock immer größer und weil er schöneres und größeres Brot buk, fand er schlussendlich mehr Absatz, als irgendein anderer Bäcker im Ort.

Josef erweiterte sein Gewerbe und besaß, als er 1824 heiratete, bereits die Hälfte seines Elternhauses. Zum damaligen Zeitpunkt war die Frohe Aussicht ein dreigeschossiges Wohnhaus, in dem sein Bruder Benjamin mit seiner Familie im Erdgeschoss wohnte. Im 1. Stock befand sich das Gasthaus „Zur Frohen Aussicht“, die Bäckerei mit dem Backofen und dem Brotladen, die Wohnräume für Josef und seine Frau waren im Dachgeschoss.

Seine Braut war die 35jährige in Schnaittach bei Nürnberg geborene Jeanette Winckler (1789-1867), Tochter des Hausierhändlers Süßmann David Winckler und Maria. Anlässlich ihrer Einwanderung nach Österreich mussten sorgfältig zwei Verzeichnisse über ihr Hab und Gut und ihre erhaltenen Geschenke „Haus Schenk“ anlässlich der Hochzeit erstellt werden. Diese Liste zeigt, dass sie vorwiegend Haushaltsgegenstände zur Hochzeit geschenkt bekam, die Listen und ein Silberlöffel sind heute im Besitz des Jüdischen Museums Hohenems.

Jeanette war, nach der Beschreibung des Rabbiners Kohn, eine brave und fleißige Hausfrau und half im Geschäft ihres Mannes mit, obgleich Josef sein Gewerbe erweitert hatte und nun zwei Gesellen und einen Knecht beschäftigte. Nachdem Josef 1826 die andere Hälfte der „Frohen Aussicht“ von seinem Bruder abkaufte, schaffte er sich auch einige Kühe, Wiesen und Äcker an.

Die vollständige Geschichte kann im emser almanach no. 22, welcher vom Kulturkreis Hohenems unter der Leitung von Dr. Norbert Peter herausgegeben wird, nachgelesen werden.



[1] Vgl. Karte: Die Judengasse in Hohenems und deren Umgebung vor dem Brande im Jahre 1777, ZB z. S. 132/133 in: Tänzer, Aron: Die Geschichte der Juden in Hohenems, unveränderter Nachdruck, Bregenz, 1982.

[2] Levi Veit Levi, schon in Hohenems geboren, war der Sohn von Veit Levi, der am Anfang des 18. Jahrhunderts von Sulz nach Hohenems abwanderte. Sein Großvater Abraham Veit Levi gehörte zu den drei Familien, die, als sich die Innsbrucker Hofkammer 1688 entschloss, Juden aus der Herrschaft Feldkirch auszuweisen, noch in Sulz bleiben durften; vermutlich weil die Hofkammer nicht bereit war, auf die Schutzgeldzahlungen der drei reichsten Familien zu verzichten. Die Brüder von Levi Veit Levi waren die Stammväter der späteren Dynastie Rosenthal. Vgl. Purin, Bernhard: Die Juden von Sulz. Eine jüdische Landgemeinde in Vorarlberg 1676-1744, Bregenz, 1991, S. 22f; Tänzer: S. 762.

[3] Vgl. Nachbauer, Josef: Vier Häuser in der Radetzkystraße erzählen. In: emser almanach, no. 10, Hohenems, 2004, S. 117; Philipp Landauer gehörte aber auch das Haus in der  Harrachgasse Nr. 4, das er 1807 erbauen ließ und in dem seine Tochter mit ihrem Mann Hermann K. Reichenbach später wohnte. http://www.jm-hohenems.at/index.php?id=7050&haus_id=90&lang=0&search_all=Philipp Landauer&highlighted=Philipp Landauer [August 2010].

[4] Vgl. Ahnentafel in Tänzer: S. 734 und 780; Das Wohnhaus der Maria Landauer war die Nr. 10 in der Israelitengasse, die Großmutter von Regina Ullmann, Regina Ullmann, geb. Mayer, verkaufte das Haus 1877 an Julie Landauer, der Cousine der gleich lautenden Julie Landauer, welche im späteren Verlauf dieses Artikel noch vorgestellt wird. http://www.jm-hohenems.at/index.php?id=7050&haus_id=19&lang=0&search_all=Ephraim Ullmann&highlighted=Ephraim Ullmann [August 2010].

[5] Kohn, Abraham: Ein jüdischer Handwerker auf dem Krankenlager und sein Testament. In: Adler, Liebman (Hg): Die Synagoge, Würzburg, 1837, S. 305.

[6] Ebd.

 
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 Frohe Aussicht  •  Schweizer Straße 25 •  6845 Hohenems